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Die Methusalem-Strategie – Gesund mit 100, weil ein bisschen weise Teil 8: Selbstschutz

27. September 2012 Keine Kommentare

Unser Selbst ist sehr komplex und zugleich tiefgründig. Vergleicht man es mit einem Eisberg, so ist unser bewusstes Ich nur die kleine Spitze, die aus dem Wasser ragt. Der größte Teil unseres Selbst ist unbewusst, und auch seine anatomischen Strukturen liegen tief verborgen im Inneren unseres Gehirns. Diese haben wir zumindest funktionell mit allen Wirbeltieren gemeinsam und sie haben den gigantischen Zeitraum von über einer halben Milliarde Jahren Evolutionsgeschichte überdauert, was uns ihre immense Bedeutung erahnen lässt. Eine dieser Strukturen sieht aus wie ein Seepferdchen, weshalb es auch Hippocampus (vorne Pferd, hinten Fisch) genannt wird. Der Hippocampus ist das Tor zu unserem autobiographischen Gedächtnis, und er entscheidet darüber, was wir in Zukunft über uns selbst erinnern werden, was Teil unseres zukünftigen Selbst sein wird.

Unser verborgenes Selbst muss effizient erkennen, was uns schadet und was uns nützt, was uns beim Überlebenskampf einen Vorteil verschafft und was die Chance erhöht, dass wir unser Erbgut weitergeben können – oder was uns daran hindert. Alles wird von ihm aus mit Emotionen belegt, die uns bewusst werden können. So entscheidet es auch, was unsere Aufmerksamkeit bekommt und was wir uns langfristig merken. Zudem steuert es über das Zwischenhirn sämtliche Körperfunktionen, auch unseren Schlaf oder den Level an Stresshormonen in unserem Blut. Manche nennen es deshalb auch das emotionale Machtzentrum.

Mit der Entwicklung der „Neuen Großhirnrinde“ (des Neocortex) erwachte unser Säugetierbewusstsein. Es ist unserem verborgenen, emotionalen Selbst nachgeschaltet, denn es hat die Kontrolle nicht an den Neocortex abgegeben: Es nutzt dessen rationalen Verstand nur als Berater und langfristigen Erinnerungsspeicher, sozusagen als Rechner und interne Festplatte. Unser verborgenes Selbst steuert immer noch unser Verhalten: Es ist unsere emotionale Intelligenzund nicht unser IQ, der uns leitet.

Anders ausgedrückt, es sind Emotionen, die uns bewegen, und nicht die nüchterne Kalkulation. Das hat auch die Werbeindustrie begriffen! Auch ihre Vorgehensweise evolviert über Versuch und Irrtum und hat es so zur Meisterschaft gebracht: Sie ist zur perfekten Manipulationsmaschinerie unseres emotionalen Selbst geworden; auch weil sie gelernt hat, wie unser Gedächtnis arbeitet! Haben Sie sich nicht auch manchmal schon gefragt, warum z.B. die meisten von uns Liedtexte und Werbeslogans beherrschen, aber viele nicht ein vergleichsweise einfaches a2+b2=c2 merken können? Die Antwort: Emotionen. Nur wenn diese geweckt werden, können wir uns an etwas erinnern.

Die Basis von angepasstem Verhalten ist Erinnerung – und wer die Vergangenheit kontrolliert, der beherrscht die Zukunft. Unser Neocortex dient zwar als Speicher unserer persönlichen Erinnerungen, aber es ist der für uns unbewusst agierende und evolutionsgeschichtlich uralte Teil unseres Selbst, der „Merkwürdiges“ von dem trennt, was in Vergessenheit geraten wird. Selektiert wird nach dem einfachen Prinzip: Wohl oder Wehe. Nichts anders war vor unserer kulturellen Entwicklung der letzten Jahrtausende von Interesse, nichts anderes ist es heute. Nur ist unsere moderne, auf Umsatz getrimmte Kultur raffiniert genug, unserem emotionalen Selbst subtil – weil emotional! – zu suggerieren, dass ein Hamburger mit Coke die Überlebenschancen verbessert oder einen Rennwagen zu besitzen helfen könnte, effizienter sein Erbgut weiterzugeben.

Wir sind bereit, uns marktkonform zu ernähren und zu bewegen, beziehungsweise schnell bewegen zu lassen. Auch so manche Überstunde nimmt man gerne in Kauf, um sich den neuesten Trend leisten zu können. Dass unser emotionales Selbst dabei ein gewisses Glück empfindet, zumindest vorübergehend, ist unbestritten, ebenso unbestritten ist jedoch, dass unser Selbst langfristig an den Folgen leiden wird. Ein Beispiel soll hier genügen: Wir schlafen paradoxerweise, trotz Beschleunigung aller Prozesse und immer größerer wirtschaftlicher Effizienz, im Durchschnitt immer weniger. Der Grund: Der Bedarf an scheinbar Überlebenswichtigem, der nur der werbetechnischen Suggestion geschuldet ist, steigt ebenso an, und zwar überproportional. Je effizienter wir technologisch werden, umso mehr steigen unsere vermeintlichen Bedürfnisse und umso weniger Zeit haben wir für uns selbst! Wer schläft, kauft nicht ein, isst nicht, und kann nicht manipuliert werden.

Schlaf ist jedoch lebenswichtig. Es ist die Zeit, in der sich unser emotionales Selbst in sich zurückzieht, wenn unser Hippocampus Wichtiges von Unwichtigem trennt und seinen Erlebniszwischenspeicher leert (um am nächsten Tag wieder Neues aufnehmen zu können), wenn aus Erlebtem wichtige Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen werden, die unser zukünftiges Verhalten verändern.

Unter Schlafmangel werden wir deshalb unkonzentrierter, gereizter, und sind weniger kreativ. Das Lernen fällt uns immer schwerer, weil unser hippocampaler Zwischenspeicher auf unbearbeiteten Daten sitzt und regelrecht verstopft. Die Unfallstatistik zeigt uns ein achtprozentiges Hoch einen Tag nach Beginn der Sommerzeit (!) und ein gleich großes Tief an ihrem Ende, wenn wir ausnahmsweise ausgeschlafen ins Auto steigen. Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse! Langfristig führt Schlafmangel nachgewiesenermaßen zu Fettsucht sowie einem Funktionsabbau des Gehirns, denn nur im Schlaf kann es sich regenerieren. Schlaf ist so essentiell wie Essen, Trinken und Atmen – nur suggeriert uns auch hier die moderne Kultur, geprägt durch „erfolgreiche“ Manager, die immer „handy“ sind, dass Schlaf einen überflüssigen Luxus darstellt.

Wir befinden uns in einem Teufelskreis, in den uns ein Zeitgeist drängt, der uns immer mehr Zeit und langfristig den Geist raubt! Aus diesem können Sie nur durch Rückbesinnung auf die Bedürfnisse Ihrer menschlichen Natürlichkeit ausbrechen. Es gibt keinen anderen Weg. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Reaktionsfähigkeit eines Menschen nach 17 Stunden ohne Schlaf der eines Menschen entspricht, der 0,5 Promille Alkohol im Blut hat. Umgekehrt betrachtet: Mit weniger als 7 Stunden Schlaf täglich, sind Sie jeden Abend als fahruntüchtig einzustufen. Wer chronisch zu wenig schläft, dessen Gehirn schrumpft, wie Tierexperimente eindrücklich demonstrieren, und das Risiko, an Alzheimer zu erkranken, verdoppelt sich, wie epidemiologische Studien zeigen. Zudem steigt das Gewicht, weil die hormonellen Appetitanreger hochgeregelt und die Appetitzügler gehemmt werden. Kurzum, wir müssen unserem Selbst Zeit für sich selbst geben, und das gelingt nur im Schlaf. Üben Sie sich in der Kunst, zumindest nachts ein Egoist zu sein. Sehen Sie den Schlaf daher nicht als notwendiges Übel, sondern als essentielle Phase in Ihrem Dasein, in der sich Erinnerungen und Einsichten formen, und aus der langfristige Gesundheit erwächst.

Weitere lebenswichtige Anregungen zum Thema „Selbstschutz“ – es gibt meines Erachtens kaum ein wichtigeres! – liefert Ihnen „Die Methusalem-Strategie“. Das darin enthaltene Wissen steigert nicht nur dramatisch Ihre Lebenserwartung gemessen in Jahren, sondern auch Ihre Zufriedenheit, gemessen in körperlicher und vor allem mentaler Gesundheit!

In der nächsten Kolumne am 27. Oktober 2012 erfahren Sie, wie uns unser Umfeld nützt, aber auch schaden kann, wenn wir ihm erlauben, von unserem Selbst Besitz zu ergreifen.

PD. Dr. Michael Nehls ist Arzt, Molekulargenetiker, Autor, Filmproduzent und Leistungssportler. Nach seiner wissenschaftlichen Ausbildung an verschiedenen Forschungseinrichtungen in den USA und Deutschland wurde Dr. Nehls leitender Wissenschaftler ... weiterlesen

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