Erschreckende Aussichten für den Gesundheitsstandort Deutschland. Eine Umfrage unter 800 Ärzten zur Einschätzung des deutschen Gesundheitssystems hat ergeben, dass sich die Versorgungsqualität in den kommenden Jahren verschlechtern wird und dass medizinische Fortschritte nicht immer beim Patienten ankommen. Das Internet-Gesundheitsportal www.imedo.de berichtet.
Eine Studie im Auftrag des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller, kurz VFA, und des NAV-Virchow-Bundes hat ergeben, dass fast drei Viertel der niedergelassenen Ärzte in Deutschland die Therapiefreiheit als nicht mehr gewährleistet sehen. Der Kostendruck aufgrund der Budgetierung von Leistungen, Ausgabenbeschränkungen und der negative Einfluss von Regressandrohungen sind einige der Gründe, die den Medizinern Anlass für diese negative Einschätzung geben.
Ärzte: Schlechte bis sehr schlechte Versorgungsqualität
Doch das sind noch nicht alle negativen Prognosen der 802 befragten Allgemein- und Fachärzte. Nur ein Viertel der Befragten glaubt, dass die momentan im Allgemeinen als gut eingeschätzte Versorgungsqualität in zehn Jahren nicht mehr gewährleistet sein wird. Ein Drittel der Ärzte sagt sogar eine schlechte bis sehr schlechte Versorgungsqualität voraus.
„Wir müssen handeln“, fordert Klaus Bittmann, Vorsitzender des NAV-Virchow-Bundes. Er ist selbst Gynäkologe und kann viele Aussagen der Studie bestätigen. Patientenbefragungen gingen seinen Aussagen zufolge in eine ähnliche Richtung. Darin bestehe eine Gefährdung des Arzt-Patienten-Verhältnisses, „das höchste Gut, dass wir haben“, ergänzt Bittmann.
Medizinische Fortschritte haben keine Auswirkungen auf Versorgung von Patienten
Ein weiteres Defizit ist, dass innovative medizinische Fortschritte nicht beim Patienten ankommen. Am schlimmsten betroffen seien Demenzkranke und Menschen mit Depression. Am besten geht es in dieser Hinsicht Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und HIV - Allesamt Krankheiten mit einer hohen Aufmerksamkeitsquote, bedingt durch eine hohe Medienpräsenz.
Für viele Ärzte hat der Beruf an Attraktivität verloren. Die Mediziner bemängeln den hohen Verwaltungsaufwand, lange Arbeitszeiten und ihr Einkommen. Diese Gründe bewegen knapp 70 Prozent der Befragten, eine Auswanderung ins Ausland in Erwägung zu ziehen. Das sei auch ein nicht unerheblicher finanzieller Verlust für die Gesellschaft. Ein Medizinstudium kostet 250.000 Euro, diese Kosten trägt größtenteils der Steuerzahler. Jährlich wandern nach Aussagen Bittmanns rund 2500 Ärzte ins Ausland ab. Dem gegenüber stehen nur 800 Ärzte, die vom Ausland zuwandern.
Ärzte fordern Abbau von Bürokratie
Fast alle befragten Mediziner wünschen sich mehr Mitspracherecht bei Entscheidungen über die Verordnungsfähigkeit innovativer Arzneimittel. Zudem fordert Bittmann, dass Ärzte von Bürokratie ferngehalten werden. Erst wenn das gegeben sei und die Therapiefreiheit nicht weiter eingeschränkt wird, gewinnt der Beruf auch wieder an Attraktivität. Ein Drittel der Ärzte würde der Umfrage zufolge ihren Beruf heute nicht mehr wählen.
Sie vermissen Transparenz im deutschen Gesundheitswesen? Die imedo-Gesundheitsnews können Abhilfe schaffen.