Die Uno schätzt, dass weltweit rund 450 Millionen Menschen an einer Erkrankung der Psyche oder der Nerven leiden. Den meisten Selbstmorden oder Selbstmordversuchen geht eine psychische Erkrankung voran. Jährlich sterben in Deutschland mehr Menschen durch Suizid als durch Verkehrsunfälle. Experten fordern bessere Präventionsmöglichkeiten. Das Internet-Gesundheitsportal www.imedo.de berichtet.
Suizid ist ein Thema, über das niemand gerne spricht. Dabei sind schon viele Menschen damit konfrontiert worden. Sei es, weil sie selbst in einer schweren Krise daran dachten, sich zu töten. Oder weil ein Familienmitglied, Freund oder Bekannter einen Suizidversuch unternahm. „Obwohl nur zwei bis fünf Prozent solcher Versuche tödlich enden, sterben in Deutschland jedes Jahr etwa 10.000 Menschen durch Suizid“, sagt Michael Eink, Professor für Soziale Arbeit an der Fachhochschule Hannover. Das seien mehr Menschen, als zum Beispiel bei Verkehrsunfällen umkommen. Daher fordert Eink: „Es wird Zeit, dass wir über die Suizidprävention genauso offen diskutieren, wie über die Vermeidung von Verkehrsunfällen.“
Entstehung von Selbstmordgedanken
Die Tabuisierung von Selbstmord in unserer Gesellschaft habe mit unserem kulturellen Erbe zu tun, sowie mit individuellen psychologischen Gründen. „Jeder von uns hat schon einmal Krisen und Momente der Verzweiflung erlebt“, sagt der Autor des Buches „Umgang mit suizidgefährdeten Menschen“. Viele Menschen hätten daher Angst vor ihren eigenen Abgründen und empfänden das Thema Selbsttötung als Bedrohung. „Suizidgedanken sind aber nichts, weswegen man sich schämen oder krank vorkommen muss“, sagt Eink. Sie kämen meist dann, wenn unser Leben tiefgehend erschüttert werde. Etwa durch die Auseinandersetzung mit den Eltern in der Jugend, die Trennung von einem Partner oder massive berufliche Schwierigkeiten. Wenn einem dann die Zuversicht fehle, dass sich die Probleme lösen ließen, könne die Idee zur Selbsttötung entstehen.
Depression als Auslöser von Suizidgedanken
„Neben einer lebensgeschichtlichen Krise können auch körperliche Erkrankungen oder psychische Störungen Selbsttötungsgedanken auslösen“, sagt Thomas Bronisch, Professor für Psychiatrie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Als Oberarzt an der Klinik des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in München erlebt Bronisch viele Patienten, deren suizidale Tendenzen in eine Krankheit eingebettet seien. Sehr häufig handele es sich dabei um Depressionen, möglich seien aber beispielsweise auch Angststörungen, Psychosen oder Suchterkrankungen. „Bei einigen Krankheiten kann man medikamentös eingreifen“, sagt Bronisch. Darüber hinaus müsse man aber mit den Patienten ihre Lebenssituation besprechen und Hilfestellungen für die Bewältigung ihrer Schwierigkeiten finden.
Suizidversuch als Hilferuf
Eigene Gedanken an Selbstmord oder eine Suizidäußerung von anderen Menschen sollte man vor allem als Zeichen der Not ansehen und als Signal dafür, die derzeitige Lage verändern zu wollen. „Jeder Suizidversuch ist eine Mischung aus Hilferuf und Todeswunsch“, sagt Bronisch. Sein Kollege Michael Eink vergleicht die Ambivalenz der Betroffenen mit einer Balkenwaage. In der einen Waagschale lägen die Probleme, die man so nicht länger ertragen wolle, etwa der Liebeskummer, das berufliche Scheitern oder eine Krankheit. „In der anderen Schale befinde sich die Sehnsucht, dass es einem wieder besser gehen möge, und weitere lebenserhaltende Faktoren“, sagt Eink. Wie stark jede Seite der Waage befüllt sei, könne sich jederzeit ändern.
Gespräche mit Menschen mit Selbstmordgedanken sind nicht einfach
„Wenn man denkt, dass ein anderer Mensch suizidale Gedanken haben könnte, sollte man ihn unbedingt darauf ansprechen“, sagt Eink. Die weitverbreiteten Skrupel, dass man den anderen damit erst auf die Idee zur Selbsttötung bringen könnte, teilen die Präventionsexperten nicht. „Das Sprichwort, dass man keine schlafenden Hunde wecken soll, stimmt in diesem Zusammenhang nicht“, bestätigt auch Thomas Bronisch.
Solche Gespräche sind für Angehörige und Freunde allerdings nicht einfach. „Es fällt jedem schwer, mit der Verzweiflung eines geliebten Menschen umzugehen“, sagt Eink. Oft habe man Angst um ihn und fühle sich hilflos. Andere seien aber auch gekränkt oder wütend, weil sie sich manipuliert fühlten. In dieser Situation komme es daher häufig vor, dass man die Probleme des anderen zum Beispiel mit einem „Kopf hoch, das wird schon wieder“ verharmlose oder dem anderen Vorwürfe mache wie „Warum tust du mir das an?“.
Auch wenn es schwer falle, sollte man die Gefühle des anderen akzeptieren und ihm zunächst ohne Kommentare oder gut gemeinte Tipps zuhören. „Dem anderen tut es gut, seine Verzweiflung ausdrücken zu können“, sagt Eink. Man dürfe ihn dann aber durchaus nach den positiven Aspekten seines Leben fragen. „Da kommt oft einiges an lebenswerten Faktoren zusammen, etwa Halt gebende Beziehungen oder ein Rest an Hoffnung auf Veränderung“, berichtet Eink.
Professionelle Unterstützung bei Suizidgedanken ist wichtig
Zusammen sollte man dann versuchen, professionelle Unterstützung zu organisieren. „Man kann dafür zum Beispiel bei der Telefonseelsorge anrufen und sich dort Hilfseinrichtungen in der Nähe nennen lassen“, sagt Eink. Man sollte dem Suizidgefährdeten auch anbieten, ihn bei den Gängen zu Ärzten oder Beratungsstellen zu begleiten.
Die Präventionsexperten plädieren dafür, dass man einem suizidgefährdeten Menschen notfalls auch gegen seinen Willen hilft. „Im Extremfall sollte man zum Beispiel nicht von seiner Seite weichen und sich an die Notaufnahme eines Krankenhauses wenden“, rät Bronisch. Ärzte seien wie etwa auch Polizisten verpflichtet, einen akut Selbstmordgefährdeten vor sich selbst zu schützen.
Jedes Jahr sind es etwa eine Million Menschen, die sich das Leben nehmen. Informationen zum Thema finden Sie mit Hilfe der imedo-Gesundheitsnews.
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