Nach Schätzungen von Burnout-Experten sind 20 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland von depressiven Leiden betroffen. Das Burnout-Syndrom und Depressionen werden immer mehr zu Volkskrankheiten. Der Medizinjournalist Sven-David Müller von Internet-Gesundheitsportal www.imedo.de sprach mit Universitätsprofessor Doktor Jürgen Spona aus Wien über Anzeichen und Ursachen von Burnout und Depressionen und die Unterschiede zwischen den beiden Erkrankungen.
Was ist das Burnout-Syndrom?
Univ.-Prof. Dr. Spona: Der Begriff Burnout-Syndrom existiert erst seit den 1970er Jahren und es gibt an sich keine einheitliche „harte" Definition dafür. Durch alle Definitionen zieht sich aber dennoch ein roter Faden an Symptomen. Die charakteristischen Merkmale sind körperliche, geistige und emotionale Erschöpfung, anhaltende physische und psychische Leistungs- und Antriebsschwäche, sowie der Verlust der Fähigkeit, sich zu erholen. Ebenso ist eine abweisende Grundstimmung gegenüber den Mitmenschen und der eigenen Arbeit festzustellen. Psychosomatisch kommt es in der Folge zu einer Schwächung des Immunsystems und dadurch häufiger zu Infektionskrankheiten. Weitere Symptome sind oft Verspannungen, Schlafstoerungen, Kreislaufprobleme, Verdauungs- und Essstörungen sowie bei fortgeschrittener Erkrankung auch Herzbeschwerden, Geschwüre im Magen-Darm-Trakt, schwerer Tinnitus, um nur einige Beispiele zu nennen. Auch Alkoholkrankheit sowie Missbrauch und Abhängigkeit von Medikamenten und anderen Drogen können in der Folge auftreten. Eines ist bei dieser Definition aber auch klar: Wer ausgebrannt ist, muss einmal gebrannt haben. Das heißt, dass jemand mit großem Enthusiasmus und Engagement tätig war, bevor er oder sie dann seine Tätigkeit nur mehr unter großen Anstrengungen ausüben kann.
Wie unterscheidet sich ein Burnout von einer Depression?
Im fortgeschrittenen Stadium von Burnout, das sich vor allem in einer völligen Antriebsschwäche äußert, verschwimmen die Grenzen zwischen diesen Diagnosen. Die Unterschiede liegen wohl eher in den Ursachen. Die Ursache für Burnout kann man am besten mit einem Missverhältnis zwischen den Anforderungen von außen und den eigenen Ressourcen beschreiben. Dabei können diese überhöhten Anforderungen durchaus auch „hausgemacht", also objektiv völlig unrealistisch sein. Dieser Prozess zieht sich immer über einen längeren Zeitraum hin. Bei Depressionen nimmt man ein Zusammenwirken von Belastungen und einem Mangel an Botenstoffen im Gehirn als Hauptursachen an. Eine genetische Disposition kann auch eine Rolle spielen, wobei all diese Faktoren unterschiedlich gewichtet sein können. Eine Depression kann auch ziemlich unvermittelt auftreten.
Wie aktuell ist das Thema Depression und Burnout?
Das Thema Burnout und Depression ist brandaktuell. Man nimmt an, dass 20 Prozent aller Erwachsenen schon mindestens eine depressive Episode hinter sich haben, wobei bereits auch Kinder und Jugendliche betroffen sind. Nur die Hälfte davon wird adäquat behandelt. Statistisch hat sich die Zahl der Krankenstandstage wegen psychischer Leiden seit 1991 verdoppelt. Bezüglich Burnout gibt es verschiedene Untersuchungen, man kann sicherlich annehmen, dass mindestens 10 Prozent der arbeitenden Bevölkerung gefährdet sind.
Sind vom Burnout-Syndrom nur Manager betroffen?
Keinesfalls sind nur Manager vom Burnout-Syndrom betroffen. Wir erinnern uns zwar noch an den früher häufig gebrauchten Ausdruck „Manager-Krankheit" für die Folgen von Überlastung und Erschöpfung. Mittlerweile muss man aber davon ausgehen, dass durch die objektiv gestiegenen Anforderungen und Belastungen ein wesentlich größerer Personenkreis betroffen ist. Der Knackpunkt ist sicherlich die andauernde Belastung, der die Menschen heutzutage unterliegen. Für kurzzeitige Stressoren hat der Organismus gute Antworten, aber einer ständigen Dauerbelastung an der Obergrenze des Möglichen ausgesetzt zu sein, überfordert den modernen Menschen sehr häufig.
Was sind die Ursachen von Depressionen und Burnout?
Die Ursachen von Depressionen und Burnout sind vielfältig. Fast immer sind solche Zustände mit Stoffwechselveränderungen verbunden, die sich in einem Mangel an Botenstoffen im Gehirn äußern.
An welchen Anzeichen kann man erkennen, dass man an einer ständigen Überbelastung (Burnout) leidet?
Eines der ersten Anzeichen für das Burnout-Syndrom ist sicherlich eine chronische Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse und ein Übersehen der eigenen Grenzen. Dies führt in weiterer Folge zu Fehlleistungen wie Vergesslichkeit und Konzentrationsschwäche und zu Energiemangel und Schwächegefühl auf der körperlichen Ebene. Dem versucht man dann in der Regel mit vermehrtem Konsum von Kaffee oder anderen Aufputschmitteln zu begegnen. Dies versetzt aber den Körper weiterhin in einen ständigen Alarmzustand, was natürlich kontraproduktiv ist. Es kommt zu Schlafstörungen und ständiger Müdigkeit. Auch psychosomatische Zeichen wie beispielsweise Herzklopfen, Magenbeschwerden und eine verringerte Widerstandsfähigkeit gegenüber Infektionen können auftreten. Man fühlt sich zu müde für Dinge, die einem sonst eigentlich Freude bereiten, beispielsweise der Pflege von sozialen Kontakten.
Informationen, Tipps und Hilfe bei Burnout bietet das imedo-Infocenter "Burnout".
Weitere Informationen zum Thema Burnout erhalten Sie auf der Seite
http://www.hilfe-bei-burnout.de/.
Die imedo-Gesundheitscommunity bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen, beispielsweise in der Gruppe „Burnout“.
Redaktion: Sven-David Müller (Medizinjournalist) und Marcel Kresin
Bildquelle: imedo-Infocenter Burnout