Wieder einmal sollen Krankenkassenbeiträge steigen, diesmal über einen sogenannten Zusatzbeitrag. Gleichzeitig wird der Kassenpatient das Gefühl nicht los, die Kasse wolle sich immer öfter um die Übernahme der Kosten drücken und der Patient müsse immer mehr Leistungen und Arzneimittel selbst zahlen. Die Krankenkassen gelten als riesiger geldverschlingender Apparat und das deutsche Gesundheitssystem bereits als erkrankt. 253 Milliarden Euro kostete 2007 die Gesundheit in Deutschland und damit drei Prozent mehr als im Vorjahr, informiert Medizinjournalist Sven-David Müller. Das Gesundheitskostenplakat von imedo räumt mit den Mythen des Gesundheitssystems auf. Eines ist sicher: massiv steigen die Kosten des Gesundheitswesens nicht an, aber eine effektive Gesundheitsreform, die Lobbyisten überhört, ist notwendig.
Mythos 1: Die Gesundheitskosten je Einwohner steigen massiv an.
Falsch! Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sind die prozentualen Gesundheitsausgaben je Einwohner konstant und liegen bei etwa zehn Prozent des BIP. Von einer Kostenexplosion kann keine Rede sein.
Mythos 2: Die allgemeinen Verwaltungskosten sind immens.
Falsch! Die Verwaltungskosten des Gesundheitssystems machen einen Anteil von nur fünf Prozent der gesamten Kosten aus. 13,2 Milliarden Euro von insgesamt 253 Milliarden Euro flossen in die Verwaltung. An den Verwaltungskosten der Krankenkassen geht das Gesundheitssystem also nicht zugrunde.
Mythos 3: Die Kosten für die Pflege alter und kranker Menschen steigen rasant an.
Falsch! Tatsächlich sind die Kosten für Pflegeleistungen im Jahr 2007 nur um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Mit 45,7 Milliarden Euro betrug der Anteil der Pflegekosten an den Gesamtkosten 18 Prozent.
Mythos 4: Die Ausgaben für Investitionen sind zu hoch.
Falsch! 2007 sanken die Investitionen in Neubaumaßnahmen und Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten sogar um 2,3 Prozent. Mit 8,8 Milliarden Euro werden für solche Investitionen nur 3,5 Prozent aufgewendet. Ein riesiger Investitionsstau entsteht.
Mythos 5: Für die Gesundheitsförderung wird zu wenig ausgegeben.
Falsch! Für die Gesundheitsförderung wurden 15,5 Prozent mehr Geld zur Verfügung gestellt. In keinem anderen Bereich der Gesundheitskosten ist der Anstieg so stark. Ob das Geld jedoch in Broschüren und Werbespots richtig angelegt ist, darüber lässt sich streiten.
Mythos 6: Die Verwaltungskosten steigen stark an.
Falsch! Um gerade einmal 0,7 Prozent sind die Ausgaben für Verwaltung 2007 gestiegen. Von einem starken Anstieg kann keine Rede sein.
Mythos 7: Die Früherkennung von Krankheiten verschlingt zu viel Geld.
Falsch! Die Ausgaben für die frühzeitige Erkennung von Krankheiten sind sogar um 7,7 Prozent zurückgegangen. Das ist erschreckend und nicht zu rechtfertigen.
Mythos 8: Die Kosten für Zahnersatz sind zu hoch.
Falsch! Tatsächlich ist der Anteil der Kosten für Zahnersatz an den Gesamtkosten gerade einmal 2,3 Prozent. 5,8 Milliarden Euro von 253 Milliarden Euro Gesamtkosten werden für Zahnprothesen ausgegeben.
Mythos 9: Deutsche Privathaushalte geben wenig Geld für Gesundheit aus.
Falsch! Im europäischen Vergleich geben die Deutschen privat mehr Geld aus als andere Europäer. Vier Prozent ihres Einkommens berappen deutsche Haushalte für die Gesundheitspflege, der europäische Durchschnitt liegt bei 3,6 Prozent.
Mythos 10: Die Deutschen sind zu oft und zu lange krankgeschrieben.
Falsch! Der Krankenstand in Deutschland ist seit mehr als zehn Jahren rückläufig. Waren 1995 noch fünf Prozent aller Beschäftigten mit Krankenschein zu Hause, so waren es 2007 nur noch knapp über drei Prozent.
Mythos 11: Die ärztlichen Leistungen sind unterfinanziert
Falsch! Der größte Anteil der Gesundheitskosten fließt in ärztliche Leistungen und in Waren mit jeweils 27 Prozent der gesamten Ausgaben. Auch wenn Ärzte-Lobbyisten nach noch mehr Geld schreien, ist das nicht zu rechtfertigen.
Mythos 12: Aufgrund der Zuzahlungspflicht bei Medikamenten wird weniger für Arzneimittel ausgegeben.
Falsch! Die Ausgaben für Arzneimittel sind im Jahr 2007 um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Besonders Schmerzmittel werden immer mehr zum Bestseller der Apotheken: sieben der zehn am häufigsten verkauften frei verfügbaren Medikamente sind Präparate mit schmerzlindernden Wirkstoffen. Der Gesetzgeber ist aufgefordert, die Pharmaindustrie zu kostendämpfenden Verhalten und Preisen zu „zwingen“ und Schmerzmittel rezeptpflichtig zu machen.
Mythos 13: Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) geben zu viel Geld für ihren Verwaltungsapparat aus.
Falsch! Tatsächlich lassen sich die privaten Krankenversicherungen (PKV) ihre Verwaltung prozentual deutlich mehr kosten als die gesetzlichen: 15 Prozent der Einnahmen flossen bei den PKV in die Verwaltung. Bei den GKV waren es nur sechs Prozent.
Der bekannte Gesundheitsreformer und langjährige Präsident der Berliner Ärztekammer Dr. med. Ellis Huber begrüßt, dass das Gesundheitskostenplakat als Kostennavigator mehr Transparenz in das Kostensystem des Gesundheitswesens bringt. Mit dem Gesundheitskostenplakat steht erstmals in Deutschland eine umfassende Landkarte der Kosten und Strukturen der Gesundheitswirtschaft zur Verfügung, so Müller abschließend.
Das Gesundheitskostenplakat ist erschienen im Wissenschaftsverlag Dr. Köster Berlin.
Sie haben Interesse am Kostennavigator? Auf den Seiten von imedo.de können Sie sich das Gesundheitskostenplakat herunterladen.
Weitere Artikel zum Gesundheitskostenplakat und Kosten des deutschen Gesundheitswesens finden Sie auf den imedo-Seiten.
Redaktion: Marcel Kresin und Sven-David Müller (Medizinjournalist)